28.08.2020

Alles in Gottes Hände legen

Von Andrea Hofacker
aktualisiert am 03.11.2022
Die Devise in Zeiten der Coronakrise lautet noch immer: Physische Distanz zu anderen Menschen wahren, wo immer es geht. Was Menschen noch im Februar zusammengebracht hat, scheint heute weit weg. Das normale Leben, wie wir es bisher kannten, kann nicht wieder starten. Damit ist schwer umzugehen. Vor allem weil niemand weiss, wann das endet. Alle werden zunehmend dünnhäutiger.Früher kannten die Leute das Gefühl, den Alltag und die Zukunft nicht beherrschen zu können. Sie konnten viele Krankheiten nicht erklären und deswegen auch nicht eindämmen. Aber auch Naturphänomene und extreme Wetterlagen waren damals viel bedrohlicher als heute. Sie legten alles, was sie nicht erklären konnten, in Gottes Hände und ihr eigenes Leben dazu. Sie brauchten Gott und die Bibel mehr, um ihre Wirklichkeit und die Welt um sie herum erklären zu können.Man hat dem Ausdruck verliehen, indem unter offizielle und auch private Schreiben die Abkürzung CJ gesetzt wurde. CJ ist eine lateinische Abkürzung für Conditio Jacobea, die Bedingung des Jakobus. Der Jakobusbrief endet mit den Worten: «So Gott will, und wir leben.» Das ist eine demütige Haltung, eine Einschränkung aller Pläne.Aber Demut und der Umgang mit unvorhergesehenen Unterbrechungen in unserem Alltag sind verloren gegangen, denn wir haben uns in Europa ein weitgehend sicheres Leben erkämpft und vergessen, wie es sich anfühlt, wenn alles unsicher wird. Manche Menschen kommen damit gut zurecht, andere gar nicht. Für manche steht die Existenz auf dem Spiel, sie werden arbeitslos, für andere das Leben, sie erkranken und sterben an dem Virus. Für wieder andere ist es nur der abgesagte Urlaub oder eine ausgefallene Familienfeier. Mir fällt am meisten auf, wie sehr sich alle nach physischem Kontakt sehnen. Wir sind darauf angewiesen, körperlich berührt zu werden. Wir brauchen nicht nur den digitalen Kontakt, sondern Menschen, die uns in den Arm nehmen, küssen, auf die Schulter tippen, oder den Rücken streicheln.Vieles davon ist im Moment nicht möglich, obwohl wir gerade jetzt alle viel Zuwendung brauchen. Vielleicht werden wir diese Dinge nach der Krise wieder mehr wertschätzen und intensiver erleben: Analoges Beisammensein, Menschen, die man gerne hat, nahe neben sich spüren, einander die Hand geben und den Rücken stärken, Gemeinschaft wirklich feiern. Das wäre eine Chance, das Alltägliche wieder intensiver zu geniessen und weniger im Leben selbstverständlich zu nehmen, auch nicht das Leben selbst.Und vielleicht sollten wir uns an die demütige Formel aus dem Jakobusbrief erinnern, und sie uns zu Herzen nehmen:«So Gott will, und wir leben.»Andrea HofackerPfarrerin in Marbach

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