20.12.2019

«Alles eine Frage der Organisation»

Als Stadtpräsident hat Ruedi Mattle alle Hände voll zu tun. Dennoch kandidiert er jetzt auch noch für den Kantonsrat.

Von Interview: Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
Es war lange gang und gäbe, dass der Stadtpräsident von Altstätten auch im Kantonsrat sass. Daniel Bühler allerdings wollte dies während seiner Zeit als Stadtpräsident (2007 bis 2012) nicht: Das Amt sei dermassen arbeitsintensiv, dass die Kantonspolitik nicht auch noch drin liege, sagte er damals. Ruedi Mattle sieht es anders und tritt als Parteiloser auf der Liste der Grünliberalen zu den Kantonsratswahlen an. Im Interview sprechen wir mit ihm über die Vereinbarkeit der beiden Ämter, über seine Parteilosigkeit und über seine Ziele im Kantonsrat, sollte er gewählt werden.Ruedi Mattle, weshalb kandidieren Sie gerade jetzt für den Kantonsrat: Geht es Ihnen ums Altstätter Spital? Das Spital liegt mir schon am Herzen. Aber die Spitalstrategie der Regierung kommt noch vor Ende der laufenden Legislatur in den Rat. Insofern hat meine Kandidatur nicht direkt mit dem Spital zu tun.Indirekt aber schon? Ja, in dem Sinne, dass mich ärgert, wie der Kanton manchmal – wie aktuell in der Spitalfrage –  mit den Regionen umgeht. Dabei wäre es gerade in einem Ringkanton, wie es St. Gallen ist, wichtig, die Regionen anzuhören und sie zu stärken.Und wie können Sie daran als Kantonsrat etwas ändern? Die Kantonsräte unserer Region sollten sich meines Erachtens in Fragen, die das Rheintal betreffen, über die Fraktionen hinweg abstimmen. Diesbezüglich würde ich mich gerne einbringen.Sie sehen sich also nicht nur als Vertreter der Stadt Altstätten? Als Stadtpräsident vertrete ich natürlich auch Altstätter Anliegen; ich will mich aber für das ganze Rheintal einsetzen. Heute ist vieles nur noch machbar, wenn man sich in der Region zusammentut. Wenn Altstätten beispielsweise die Ostumfahrung fordert, geht das nur abgestimmt auf die Verkehrsplanung der ganzen Region. Wegen dieser Notwendigkeit, regional zusammenzuarbeiten, engagiere ich mich bereits heute als Vizepräsident des Vereins St. Galler Rheintal und im Vorstand des Vereins Agglomeration Rheintal. Als Kantonsrat könnte ich das bestehende Netzwerk erweitern und noch verstärkt für regionale Anliegen nutzen. Sie sind als Parteiloser zum Stadtpräsidenten gewählt worden und treten nun als Parteiloser zu den Kantonsratswahlen an – auf der Liste der Grünliberalen. Warum gerade die GLP? Die GLP kam auf mich zu und signalisierte, dass sie auch für Parteilose offen sei. Deswegen begann ich überhaupt erst über eine Kandidatur nachzudenken. Und selbstverständlich kann ich mich mit dieser Partei auch identifizieren.Weshalb treten Sie dann der Partei nicht gleich bei? Sind sie aus Überzeugung parteilos? Ich bin nicht gegen das Parteiensystem. Ohne Parteien würde unsere Demokratie gar nicht funktionieren. Wenn auch in der Kommunalpolitik heute die Parteien nicht mehr dieselbe Rolle spielen wie früher. In einer Stadtratssitzung merkt man heute kaum mehr, wer welcher Partei angehört. Ich habe der GLP zugesagt, dass ich, sollte ich gewählt werden, natürlich in der Fraktion mitarbeiten, aber parteilos bleiben würde. Ein allfälliger Parteibeitritt wäre erst vor einer Kandidatur für eine zweite Legislatur im Kantonsrat zu prüfen beziehungsweise dürfte dann auch von der GLP gefordert werden.Die GLP ist nicht gerade die wählerstärkste Partei und ihr Einfluss im Kantonsrat bescheiden. Zurzeit sind nur zwei der 120 Kantonsräte Grünliberale, weshalb sie sich auch der CVP-Fraktion angeschlossen haben. Würden Sie auf der CVP-Liste antreten, wären die Wahlchancen wohl grösser und Sie kämen bei einer Wahl sogar in dieselbe Fraktion. Vielleicht gewinnt die GLP ja irgendwann Fraktionsstärke … Ich sehe die Möglichkeit, die mir die GLP bietet, als Parteiloser anzutreten, als Chance.Für den Wähler ist es allerdings schwierig einzuschätzen, wo ein Parteiloser steht. Als ich fürs Stadtpräsidium kandidierte, hat man mich das auch gefragt. Ich sagte damals, dass ich mich am ehesten auf der Linie der CSP sehe; weder extrem links, noch extrem rechts. Das spiegelt sich zum Beispiel in der Finanzpolitik, die ich vertrete. Ich bin kein Befürworter von Steuerfusssenkungen um jeden Preis. Gemeinde und Kanton sind für die Bürger da und erbringen Leistungen für sie. Das kostet etwas. Es ist aber unsere Aufgabe, die Finanzen im Griff zu haben und diese Leistungen sowohl möglichst effektiv als auch effizient zu erbringen.Mit Andreas Broger sitzt schon ein Stadtrat im Kantonsrat, mit Remo Maurer auch der Schulpräsident. Ausserdem sind da noch Michael Schöbi, Meinrad Gschwend, Thomas Eugster und Christian Willi, die alle nochmals antreten. Ist Altstätten nicht etwas gar stark vertreten, wenn noch ein Ruedi Mattle hinzukommt? Jeder Kantonsrat vertritt nicht nur seine Gemeinde, sondern auch die Themen, für welche er eintritt. Letztlich entscheiden die Wählerinnen und Wähler, wer sie im Rat vertreten soll. Und wenn eine Gemeinde mit besonders vielen Kantonsräten vertreten ist, liegt das möglicherweise ja auch daran, dass in der Gemeinde aktiv politisiert wird.Mindert die ohnehin schon starke Vertretung Altstättens im Kantonsrat nicht die Wahlchancen? Ich bin mir durchaus bewusst, dass alle bisherigen Altstätter Kantonsräte wieder antreten, dass die GLP zuletzt im Rheintal keine allzubreite Wählerbasis hatte und dass ich auf dieser Liste zudem weiter unten aufgeführt bin. Natürlich trete ich an, weil ich gewählt werden möchte. Klappt es, würde ich mich sehr darüber freuen. Aber natürlich weiss ich, dass es bei Weitem kein Selbstläufer ist.Ihr Vorgänger Daniel Bühler wollte zunächst nicht in den Kantonsrat, weil er es nicht mit dem Arbeitsaufwand des Stadtpräsidentenamtes vereinen zu können glaubte. Sind Sie als Stadtpräsident nicht ausgelastet? Es ist nicht so, dass ich zu wenig Arbeit hätte. Kommt noch weitere dazu, ist es letztlich eine Frage der Organisation und der Prioritätensetzung. Manches lässt sich auch vereinen.Bühler trat erst zu den Kantonsratswahlen an, als er seinen Rücktritt als Stadtpräsident bekannt gab, nach gerade etwa gleich vielen Jahren im Amt wie Sie es nun sind. Steht Ihr Rücktritt als Stadtpräsident bevor? Nein, mir macht mein Job extrem Spass. Natürlich gibt es auch negative Seiten, aber das Positive überwiegt klar. Letztlich muss ich aber auch in diesem Amt erst wiedergewählt werden, um weitermachen zu dürfen.

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