Gert BrudererZwei Berufskolleginnen aus dem Aargau waren schon da, um sich das neue System anzuschauen, und eine Verbandssektion hat ebenfalls ihr Interesse angemeldet. Seit dem Start vor knapp einem Monat hat Blueme Judith bereits Aufsehen erregt.Ladenbesitzerin Judith Schmidheiny stellt sogleich klar: Am Personal zu sparen, sei «absolut nicht die Idee». Im Gegenteil. «Schön wäre, wenn es so gut läuft, dass mehr Personal benötigt wird», sagt die Ladenbesitzerin. Bei ihr arbeiten zwei Angestellte mit einem Pensum von 150 Stellenprozent und eine Lernende.Und so funktioniert die Sache: Morgens um sechs geht das Licht an und die Tür wird automatisch aufgeschlossen. Eine Tafel vor dem Geschäft weist auf die Möglichkeit der Selbstbedienung und die Videoüberwachung im Laden hin. Bezahlt werden kann mit der Karte (beispielsweise Postcard oder Twint). Zu diesem Zweck stehen ein Tablet und die Bedienungsanleitung bereit. Damit die Selbstbedienung möglich ist, hat Judith Schmidheiny extra Preisschildchen anfertigen lassen; jeder einzelne Artikel ist mit einem Preis beschriftet.Notfalls erhält Blueme Judith einen SMS-AlarmGeht das Personal abends nach Hause, bleibt der Laden offen. Um 21 Uhr gehen die ersten Lampen aus, zwei Minuten später die restlichen. Eine weitere Minute später wird die Tür automatisch verschlossen. Sollte jetzt noch jemand im Geschäft sein, merkt das ein Bewegungsmelder. Dann wird sowohl auf den Computer als auch aufs Handy der Inhaberin ein SMS-Alarm geschickt.Einmal gab es tatsächlich einen Alarm. Um zwei Uhr nachts. Sie sei «z’Tod verschrocke», sagt Judith Schmidheiny. Um diese Zeit schwante ihr Böses. Doch dann stellte sich heraus: Der Übeltäter war bloss eine fremde Katze. Das in der Ladentüre angebrachte Katzentürchen hatte offen gestanden und ein fremdes Tier hatte den Weg in den Laden gefunden, wo der Bewegungsmelder zuverlässig seine Aufgabe erfüllte.Die Idee für das ergänzende Selbstbedienungssystem hatte der Gatte. Als Judith Schmidheiny im Frühling «am Anschlag war», hat eine Redewendung sich als zutreffend erwiesen: Not macht erfinderisch. Auf den Vorschlag ihres Mannes, eines Ingenieurs, reagierte Judith Schmidheiny zunächst skeptisch.Teilautomatisierung eines Blumenladens? Sich das vorzustellen, fällt auf Anhieb wohl den meisten etwas schwer. Entsprechend meinten Kunden auch schon: «Wie? Das geht doch nicht.» Dann allerdings, im Lichte näherer Betrachtung, sah die Sache anders aus. Schnell wich die Skepsis der Bewunderung für eine Innovation.Am Sonntag herrschte ein «Kommen und Gehen»Die Idee ist zwar im Grunde nicht neu. Auf Feldern gibt es die Selbstbedienung schon lange – und sie ist beliebt. Erich Schmidheiny sagte sich: Weshalb den Blumenladen nicht auch wie ein Feld nutzen? Und siehe da: Judith Schmidheiny hat zu den Selbstbedienungszeiten mehr Kundschaft als erwartet. Am letzten Sonntag, sagt sie, habe der erste Kunde um sieben im Laden gestanden. Den ganzen Tag über habe «ein Kommen und Gehen» geherrscht.Bei Bedarf kann «umgeschaltet» werden«Die neue Lösung nimmt viel Druck weg», sagt Judith Schmidheiny. In einem ersten Schritt hatte sie vor eineinhalb Jahren den Mittwoch zum Ruhetag erkoren. Das bleibt er auch, aber die Selbstbedienung ist nun auch mittwochs möglich.Ausserdem macht das System die Ladeninhaberin und ihre Angestellten flexibler. Ist zum Beispiel eine Bühne zu gestalten oder sonst ein Auftrag ausser Haus auszuführen, ist nun jederzeit ein vorübergehendes «Umschalten» auf Selbstbedienung möglich.Die Innovation entlastet auch finanziell. Im zusehends härteren Konkurrenzkampf speziell mit Grossverteilern tut ein kleiner Laden gut daran, mit neuen, unerwarteten Ideen aufzutrumpfen.