04.09.2019

Alle Bauaufträge frei vergeben

Die Vergabe von Bauaufträgen kann Ärger hervorrufen. Das Altstätter Museum entzieht sich der Gefahr gewieft.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Als die SBB vor zwei Jahren eine Fassade brauchten, bestellten sie diese in China. Die Schweizer Konkurrenz ging leer aus. Zu teuer, lautete der Grund.Fast zur gleichen Zeit stand das Rhyboot in der Kritik. Die soziale Rheintaler Institution berücksichtigte zwar hiesige Firmen für ihren Altstätter Neubau, liess aber die Baumeisterarbeiten ein Unternehmen mit Hauptsitz in Chur ausführen. Die Fenster kamen aus Süddeutschland. Der Schreinermeisterpräsident schäumte.Korrekt und trotzdem ärgerlichDie Attackierten verteidigten ihre Vergabe-Entscheide; sie hatten klare Kriterien befolgt und korrekt gehandelt. Das bestätigte ein Rechtsanwalt, den Aussenstehende mit einer Prüfung beauftragt hatten. Es sei nicht nur alles korrekt verlaufen, sondern die in die Kritik geratene soziale Institution habe vielmehr das ihr «zustehende Ermessen nach Möglichkeit zugunsten des regionalen Gewerbes ausgenutzt».Nun ist ein weiteres Grossprojekt aktuell – der Um- und Ausbau des Altstätter Museums Prestegg zu einem Zentrum für Geschichte und Kultur.An der Museumsgesellschaft liegt es somit, zu möglichst vorteilhaften Bedingungen all die Aufträge zu vergeben, die für die Erneuerung des Gebäudes nötig sind. Bereits sind Aufträge für rund drei Millionen Franken erteilt, und ein noch grösseres Volumen wird erst noch zu vergeben sein.Fast 5,5 Mio. Franken von der öffentlichen HandZum Rhyboot-Neubau gibt es einen eklatanten Unterschied. Anders als die seinerzeit in die Kritik geratene soziale Insti- tution muss die Museumsgesellschaft sich mit ihrem Prestegg-Projekt nicht an die Vorschriften des öffentlichen Beschaffungswesens halten.Während das Rhyboot strengen Kriterien zu folgen und mit minimalem Spielraum auszukommen hatte, ist das Museum bei der Vergabe der Aufträge völlig frei.Das hat folgenden Grund: Die Beiträge der öffentlichen Hand an das Prestegg-Grossprojekt betragen weniger als die Hälfte der gesamten anrechenbaren Kosten. Obschon die Stadt, der Kanton, die Denkmalpflege, Ortsgemeinden und weitere öffentlich-rechtliche Korporationen das Projekt mit insgesamt 5,435 Mio. Franken unterstützen, beträgt der Anteil dieser Summe an den total anrechenbaren Kosten nur 44,2 Prozent. Wäre er bloss 6 Prozent höher, sähe das Museum sich genauso eingeschränkt wie seinerzeit das Rhyboot.Grösstenteils heisst hier: Weniger als die HälfteNun mag man sich allerdings wundern.Wie kann es sein, dass ein Grossprojekt in Tat und Wahrheit grösstenteils von der öffentlichen Hand finanziert wird, der Anteil der von ihr gesprochenen Gelder aber nur 44,2 Prozent beträgt statt deutlich mehr als 50?Werner Ritter, der Präsident der Museumsgesellschaft, hat «Stunde um Stunde» für das Thema aufgewendet, im Bestreben, die Aufträge nicht nach den strengen Vorschriften des öffentlichen Beschaffungswesens vergeben zu müssen. Der Aufwand lohnte sich: Der Rechtsanwalt stiess auf ein interessantes Bundesgerichtsurteil aus dem Tessin.Der Kern der Sache ist der, dass die Liegenschaft Prestegg den Finanzierungskosten zugeschlagen werden darf.Weil die Prestegg der Museumsgesellschaft gehört und ihr Wert fast vier Millionen Franken beträgt, steht den Beiträgen der öffentlichen Hand (5,435 Mio. Franken) die deutlich höhere Summe von 6,82 Mio. Franken gegenüber, mit der die öffentliche Hand nichts zu tun hat. Der erwähnte Anteil der öffentlichen Gelder von somit nur 44,2 Prozent bedeutet, dass das Museum die Aufträge für den Um- und Ausbau nach eigenem Gutdünken vergeben kann.Aus Eigeninteresse trotzdem streng seinNatürlich heisst das nicht, dass deshalb alle Aufträge unbesehen vergeben werden. Vielmehr habe man ein ureigenes Interesse, alle Arbeiten zum bestmöglichen Preis ausgeführt zu bekommen, sagt der Museumspräsident. Für jeden Auftrag würden mindestens drei bis fünf Offerten eingeholt.Ein grosser Vorteil ist, dass die Museumsgesellschaft mit den Unternehmen, die ein Angebot einreichen, bei Bedarf auch nachverhandeln kann. Hätte die Bauherrschaft nach den Bestimmungen des öffentlichen Beschaffungswesens vorzugehen, wäre dies verboten.Somit hat das Museum anders als einst das Rhyboot genug Spielraum, um weitestgehend einheimische Unternehmen oder solche aus der Region zu berücksichtigen.Die bisher vergebenen Aufträge für Bauhandwerkerarbeiten gingen denn auch zu 91,5 Prozent an Altstätter Unternehmen, zu 5,75 Prozent ins Rheintal – und nur 2,75 Prozent des bisherigen Auftragsvolumens gehen an eine auswärtige (Ostschweizer) Firma. Alle berücksichtigten Unternehmen erbringen ihre Leistung zum günstigsten aller angebotenen Preise.Niemand setzt seinen guten Ruf aufs SpielDie Auftragsvergabe an einheimische und regionale Firmen hat nicht nur den Vorteil, dass Wertschöpfung hier entsteht. Die Zusammenarbeit mit hiesigen Unternehmen macht sich nach Ritters Erfahrung auch insofern bezahlt, als jeder Beauftragte Wert darauf legt, bestmögliche Arbeit zu leisten. So ist es beispielsweise auch von Vorteil, bei unverhofft auftauchenden Hindernissen und der Suche nach einer Lösung in ein vertrautes Gesicht zu blicken.Wo man sich kennt und gewiss irgendwann wieder begegnet (vielleicht im Zusammenhang mit einem nächsten Geschäft), liegt der Zusammenarbeit fast zwangsläufig ein gutes Verhältnis zugrunde. Die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmen aus der Gegend oder aus dem Ort ihr Bestes geben, ist besonders hoch, weil sich ein guter Ruf als Kapital des Unternehmens nutzen lässt.

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