14.11.2020

«Ah jo, d’Maske!»

Von Supermarkt bis Dorflädeli – eine Reportage zeigt, ob und wie die Coronamassnahmen eingehalten werden.

Von Smilla Bühler
aktualisiert am 03.11.2022
Smilla BühlerDie Sicherheitsmassnahmen der Coronapandemie halten im Alltag Einzug. Bereits seit Mitte Oktober, also bald einem knappen Monat, ist das Tragen von Masken in Innenräumen zur Pflicht geworden. In öffentlichen Verkehrsmitteln besteht die Pflicht schon länger, seit Oktober gilt sie auch an Bahnhöfen und eigentlich überall, wo gewartet wird. Im dichten Alltagstrubel der Stadt nur logisch und sinnvoll.Doch wie sieht es auf dem Land aus? Dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen? In Geschäften, in denen hektische Stosszeiten drei Leute mehr bedeuten? Schönengrund: «Achtung Kundenzähler!»Parkplatz der Landi Säntis AG in Schönengrund mittags um 13.15 Uhr: Brav stehen vier Kundinnen und Kunden am Eingang Schlange. Das Geschäft öffnet in 15 Minuten seine Türen. Ein Ampelsystem am Eingang zeigt an, wann eingetreten werden darf. Überall hängen Plakate und mehrere Desinfektionsspender stehen bereit. Trotz Nieselregen rücken sich die Wartenden nicht auf die Pelle, um unter dem Vordach Schutz zu suchen. Auch ohne Bodenmarkierungen hat sich der Sicherheitsabstand im Alltag breitgemacht. Mit Ausnahme einer älteren Dame tragen alle Wartenden eine Schutzmaske. Ein Wagen mit Zürcher Kennzeichen biegt auf den Parkplatz ein, die Insassen tragen ebenfalls eine Maske. Beim Anstehen unterhalten sie sich leise, die Masken bleiben an Ort und Stelle. Nicht so bei einem Herrn, der sein Auto an der angrenzenden Tankstelle tankt, beim Sprechen zieht er sich die Maske unters Kinn. 13.30 Uhr: Ein Klicken verrät die Öffnung des Geschäfts. Die Türen gleiten auseinander, die Ampel steht auf Grün. «Achtung Kundenzähler! Bitte kommen Sie langsam herein!», erklärt ein kleines Schild. Die ersten Kunden wagen sich in den Laden, pflichtbewusst werden die Hände desinfiziert. Eveline Eicher, Grünbereichsleiterin der Landi Säntis AG in Wald-Schönengrund, muss die wenigsten ans Maskentragen erinnern. Sie sagt: «Die meisten kommen rein, blicken sich um und schlagen die Hände zusammen: ‹Ah jo, d’Maske!›.» Die erste Woche Mitte Oktober sei etwas holprig gewesen, da die Maskenpflicht im Laden neu gewesen war. Doch mindestens seit Anbringen der vielen Schilder und dem konsequenten Maskentragen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien Ermahnungen kaum mehr nötig. Geändert habe sich vor allem das Kaufverhalten der Kundinnen und Kunden, weiss Eicher. «Die Leute kaufen wieder vermehrt Grundnahrungsmittel und Konserven.» Generell kämen weniger Kunden in den Laden. 50 Leute dürfen die Landi auf einmal betreten, das sei seit längerem nie mehr der Fall gewesen. Eicher sagt: «Besonders das WC-Papier wird wieder rege eingekauft.»Wald: «Da müssen wir jetzt halt alle durch»Im Vorderland klingt es ähnlich. Peter Kaufmann, Leiter des Spar Supermarktes in Wald, beobachtet ähnliche Einkäufe. Mehl, Kartoffeln, Toilettenpapier und vor allem Konserven seien beliebt. Auffällig sei auch, dass wenig ältere Menschen auftauchen. «Viele schicken andere, um für sie den Einkauf zu erledigen, meist sind das jüngere Verwandte», sagt Kaufmann.Der Supermarkt bietet aus diesem Grund seit März einen Lieferservice an, bei dem der Einkauf für den Kunden erledigt und nach Hause geliefert wird. Kaufmann sagt:«Im März wurde unser Lieferservice zwar intensiver genutzt und von den Kunden enorm geschätzt. Jetzt liefern wir weniger, aber doch konstant nach Hause.»Auf dem Parkplatz steigt ein älterer Herr aus seinem Wagen, die Maske baumelt an einem Ohr herab. Kurz vor Betreten des Spars setzt er sie sich aufs Gesicht. Kaufmann begrüsst ihn mit Namen. Später tigert der Mann durch die Gänge des Ladens, die Maske thront unterhalb seiner Nase, «die Brille läuft mir dauernd an, wissen Sie!», erklärt er. An der Kasse sitzt die Maske wieder am richtigen Ort. Kaufmann zuckt die Schultern: «Da müssen wir jetzt halt alle durch. Man gewöhnt sich schnell an die Maske», sagt er. Schwellbrunn: «Erinnere Kunden nicht an Maske»So denkt auch Richi Steinemann, Inhaber der Dorfbäckerei in Schwellbrunn. Vor kurzem sorgte das verschlafene Dorf im Hinterland für Schlagzeilen: Nach einer Hochzeit mit Gästen, die angeblich Symptome des Coronavirus aufwiesen, häuften sich die Ansteckungsfälle. Davon ist auf den Strassen Schwellbrunns nichts mehr zu spüren. Bis auf zwei Wanderer trägt niemand Maske, und selbst die ziehen sie sich nach Verlassen des Dorfladens sofort vom Gesicht. Steinemann erinnert in seiner Bäckerei niemanden mehr ans Maskentragen. Er sagt: «Ich ermahne die Kunden nicht. Wir wissen es ja alle. Und es halten sich in meiner Bäckerei auch alle an die Maskenpflicht.»Ansonsten falle ihm bei seiner Kundschaft kein anderes Verhalten auf, so Steinemann. Die üblichen Stammkunden nähmen wie immer ihren Kaffee in der kleinen Gaststube zu sich und die Anzahl seiner Kundschaft sei nicht rückläufig.Wieder draussen wird schnell klar, dass hier natürlich längst nicht so viele Passanten auf den Strassen unterwegs sind wie in der Stadt. Eng ist es aber trotzdem. Auf dem Gehsteig kann man sich schnell nahe kommen. Ein Vater mit zwei Kindern unterhält sich mit einer älteren Dame, die er zufällig getroffen hat. Beide tragen keine Maske. Reute: «Wir haben fast keine ältere Kundschaft»17 Uhr in Reute: Beim Denner Satellit beginnt die «Stosszeit». Eine Mitarbeiterin steht rauchend vor dem Eingang. Ihre Maske hängt locker vom Handgelenk herab, sie blickt in den beschilderten Eingangsbereich. Susana Burch, Geschäftsleiterin des Denners, tritt nach draussen. Der Laden ist leer. Burch sagt: «Wir sehen fast keine älteren Kunden mehr. Viele scheinen andere zum Einkaufen zu schicken.» Es kämen generell weniger Leute ins Geschäft und wenn, dann bleiben sie nur kurz. Das Kaufverhalten habe sich auch hier geändert, meint die Mitarbeiterin. «Uns gehen bald die Konservendosen aus.»Ein Auto biegt in den schmalen Parkplatz ein. Der Insasse, ein Herr in mittlerem Alter, trägt neben Maske auch Handschuhe. Zielgerichtet schnappt er sich einen Tragekorb. Kurz darauf verlangt ein Klingeln Susana Burchs Anwesenheit an der Kasse. In weniger als fünf Minuten hat der Kunde seinen Einkauf erledigt. Er entsorgt seine Maske im Mülleimer neben der Türe. Beim Einladen der Einkäufe kullern etliche Konservendosen in den Kofferraum. Walzenhausen: «Dachten, es gebe Diskussionen»In der Bäckerei Meyerhans in Walzenhausen verhalten sich die Kundinnen und Kunden vorbildlich, sagt Melanie Schwarzl. Zu Beginn der Maskenpflicht hätten sich alle aus dem Meyerhans-Team etwas Sorgen gemacht. «Wir haben uns auf Ermahnungen und Diskussionen eingestellt», so Schwarzl. Dies sei bis jetzt aber sehr selten vorgekommen. Auch im Restaurant- und Cafébetrieb der Bäckerei laufe alles rund. Schwarzl: «Es gibt immer Skeptiker, auch unter unserer Kundschaft. Aber auch diese müssen sich an die Pflicht halten, was sie bei uns glücklicherweise tun.»Im Kauf- oder Konsumverhalten habe sie nichts Aussergewöhnliches beobachtet, so Schwarzl. Der Lieferservice, den die Bäckerei seit Beginn des ersten Lockdowns im April anbietet, geniesse aber wieder enorme Nutzung. Dabei werden die Tagesmenus des hauseigenen Restaurants zur Kundschaft nach Hause geliefert. Abschliessend kann gesagt werden, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dorfläden an die besonderen Umstände gewöhnt haben. In grossen Teilen trifft dies auch auf die Kundschaft zu. Eine Kundin des Spars in Wald bringt die Situation auf den Punkt: «Es geht nicht mehr nur um uns Einzelpersonen. Es geht um alle. Dafür ziehe ich gerne eine Maske an.»

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