Klaus Brammertz trat beim diesjährigen Lohnapéro – der seit Corona Lohn-Talk heisst – erstmals als AGV-Präsident vor die 235 Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im Widnauer Hotel Metropol. Corona hat nicht nur den Namen des jährlichen Anlasses verändert. Brammertz sagt zum Auftakt:
Die Marktumgebung ist eine völlig andere als 2019.
Grund dafür sind auch andere Entwicklungen, die nach der Pandemie eingesetzt haben oder die direkte Folge von dieser sind. Brammertz kennt sie alle: Energiekrise, Krieg, Rohstoffknappheit, starker Franken, Inflation, ein sich zuspitzender Fachkräftemangel. All das beschäftigt die Rheintaler Unternehmen je nach Branche unterschiedlich stark. Brammertz macht ein Beispiel: «Die Energiekosten steigen in astronomische Höhen – unglaublich. Der Krieg behindert Lieferketten, die bei einzelnen Rheintaler Unternehmen zu Unterbrüchen geführt haben.»
Der AGV-Präsident betont aber auch die Stärke und Widerstandskraft der Rheintaler Wirtschaft. Immerhin sei man in der Schweiz eines der stärksten drei Industriegebiete. Und: «In Deutschland oder Österreich ist der Fachkräftemangel exponentiell höher. Wir meistern diese Herausforderungen in der Schweiz sensationell.»
Doch wie entwickeln sich nun die Löhne in diesem Umfeld? Brammertz sagt dazu: «Gemäss der neuesten IHK-Befragung ziehen unsere Löhne etwas mehr als ein Drittel stärker an als im Rest der Schweiz.»
Nur die Besten werden reich
Als «Special Guest» lud der Arbeitgeberverband den liechtensteinischen Ex-Skifahrer Marco Büchel ein. Büchel analysiert seit über zehn Jahren Skirennen für das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) und ist Vizepräsident des Liechtensteinischen Skiverbands. Der Liechtensteiner gab Einblicke in die Lohnverhältnisse im Skirennsport. Ski Alpin sei immer eine Randsportart gewesen, der vor allem zwischen Tirol und Bayern interessiert, wie Büchel sagt. Das wirke sich auch auf den Lohn aus: «Ein guter Freund von mir drückte ein Jahr lang beim FC Zürich die Bank. Er hat mehr verdient als ich in meiner besten Saison.»
Heute könnten nur die besten 15 Fahrerinnen und Fahrer vom Skisport leben, reich würden nur die vordersten fünf. Hier hat sich gemäss Büchel in den letzten Jahren eine Schere aufgetan. Doch es gebe Bemühungen seitens des Liechtensteinischen und Schweizerischen Skiverbands, junge Athletinnen und Athleten zu einem regulären Einkommen zu verhelfen. So hat der liechtensteinische Staat fünf Stellen im Bereich des Spitzensports geschaffen: «Die Jungen können sich so auf den Sport konzentrieren», sagt Büchel. Deutschland, Österreich und Italien kennen dieses Modell schon.
Ex-Skiprofi zweifelt an Arbeitsmoral der Jugend
Wie Büchel selbst als aufstrebender Skirennfahrer war, erzählte er anhand einer Anekdote. Auf einem Flug traf er sein Idol Andreas Wenzel. Der Skirennfahrer, ebenfalls aus Liechtenstein, war das grosse Vor-
bild von Büchel und mehrfacher Medaillengewinner an Olympia und Weltmeisterschaften. Büchel, damals junger Skirennfahrer, sieht die Gelegenheit, sein Vorbild auszufragen, was er auch macht. Doch Wenzel meinte nur:
Junge, geh nach St. Tropez Liegestühle aufstellen.
Dieses Erlebnis habe ihm den letzten Kick gegeben, um härter an sich zu arbeiten. 1999 fuhr er dann im Riesenslalom zu Silber.
Dieser Biss, der einen vorwärts bringe, vermisse er bei den Jungen heute manchmal. «Der Leistungsgedanke, das Aufopferungsvolle, ist abhanden gekommen.» Der achtmalige Liechtensteiner Sportler des Jahres anerkennt aber auch: «Früher konnte man mit einer KV-Lehre das Leben lang arbeiten. Heute wird von den Jungen ein Bachelor oder ein Master verlangt.»