26.04.2018

Achermann ist sein Beruf nicht wurst

Entgegen dem Trend hat Daniel Achermann vor sechs Jahren eine Metzgerei eröffnet. Unmittelbar davor hatte der Fleisch-Fachverband gemeldet: «In der Schweiz schliesst jede Woche eine Metzgerei.» In unserem Kanton tönt es anders.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererIm Sommer des vorletzten Jahres schlug der Schweizer Fleisch-Fachverband erneut Alarm, indem er wissen liess: Metzgerlehrlinge fehlen seit Jahren. Folgerichtig lautete eine Schlagzeile: «Metzger bangen um die Zukunft ihrer Branche.» Auch eine passende Redensart wurde verwendet; der Beruf sei «vielen wurst».Dabei ist gerade die Wurst jene Ware, die Daniel Achermann die Lebensgrundlage sichert. Der gelernte Metzger, der einst die Schweinezucht des Vaters übernommen und zwei Jahrzehnte lang geführt hatte, ist ein Beispiel dafür, dass sein eigentlicher Beruf auch eine Zukunft haben kann. Drei Läden beliefert Daniel Achermann mit Fleisch, acht mit eigenen Würsten.In ehemaliger Käserei am WerkDer 51-Jährige, der mit einer Schwedin verheiratet ist und zwei Töchter in Ausbildung hat (Kanti und Architekturstudium), hat seinen Ein-Mann-Betrieb in Hinterforst in der ehemaligen Käserei eingerichtet. Die Genossenschaft habe zu diesem Zweck ordentlich investiert, sagt Achermann. Die Maschinen konnte er von einem Metzger aus Thal übernehmen, der altershalber den Beruf aufgab. Wie in jeder Branche sind neue Ideen gefragt. Es geht darum, Trends früh zu erkennen und einer allenfalls aufkeimenden Nachfrage mit einem passenden Angebot zu begegnen. Diesen Wunsch hegt Achermann nicht nur als Metzger, sondern auch als Kunde. Weizen und Glukosesirup verträgt Daniel Achermann nicht, es schlägt ihm auf die Haut. Und diese Unverträglichkeit begünstigte den Wunsch nach einer neuen Art von Würsten. Im Herbst fing Daniel Achermann an, versuchsweise eine Bratwurst herzustellen, die kein Schweinefleisch und keine Zusatzstoffe mit E-Nummern enthält. Das gelang ihm mit Ausnahme des E 450, also Phosphat, ohne das eine Wurst einfach nicht auskomme. Doch der in Hinterforst aufgewachsene Metzger erreichte sein Ziel, allergenfreie Cervelats und Bratwürste ohne Schweinefleisch herzustellen.Es geht auch ohne SpeckWie viele Berufskollegen hatte auch Daniel Achermann zunächst gemeint, eine Wurst ohne Speck gebe es nicht. Doch mit Poulethaut fand er einen geeigneten Speckersatz. Geschmacksverstärker sind tabu, verwendet werden bloss Meersalz und reine Gewürze.Anstelle von Milch, die sonst in jeder Bratwurst zu finden ist, verwendet Achermann Traubenzucker auf Maisbasis. Seine Wurst bleibt so laktosefrei. Der Metzger weiss: Die Menschen schätzen es, wenn gutes Handwerk mit Innovationskraft verbunden ist und die Produkte aus der Gegend stammen. Zwar sind auch im Rheintal viele Metzgereien nicht mehr da. Aus dem Fleischfachverband St. Gallen-Liechtenstein erschallt aber kein Warnruf, im Gegenteil. Präsident Lothar Ziegler aus Benken hat für die Hauptversammlung an Auffahrt gerade die Zahlen erhoben und sagt, die Mitgliederzahl in den letzten Jahren sei konstant. Von den aktuell 85 Mitgliedern befinden sich zehn in der Region von Rüthi und Thal.Kein Mangel an NachwuchsAn Nachwuchs mangle es ebenso wenig, sagt Ziegler. In Rorschach und Wattwil werden derzeit insgesamt sechs Klassen geführt – je zwei fürs erste, zweite und dritte Lehrjahr der angehenden Fleischfachleute. Ausserdem wird in Rorschach für angehende Fleischfachassistenten, die bei bestandener Prüfung nach zwei Jahren das eidgenössische Berufsattest erhalten, je eine erste und zweite Klasse geführt.Der Präsident empfindet spürbar Freude über die untrüglichen Zahlen, die er den Verbandsmitgliedern an der Hauptversammlung zeigen wird.Denn die Gegebenheiten passen zur Parole, nach der Lothar Ziegler und, wie er sagt, auch der Verband als Ganzes verfährt. Sie lautet so: «Nicht Jammereien, sondern Metzgereien haben wir.»

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