07.05.2024

Absichtliche Täuschung? Ein Altstätter Stadtratsentscheid könnte den Rheintaler Versicherungspool erschüttern

Versicherungspool: Stadtrat greift ein
Der Altstätter Stadtrat muss entscheiden, ob ein Versicherungsbroker die Rheintaler Gemeinden absichtlich getäuscht hat.
Luca Hochreutener
Im Januar gaben sich die Verantwortlichen des Versicherungspools Rheintal selbstsicher. Die Courtagen, welche der Oberrieter Broker Arbenz RVT einnehme, seien branchenüblich. Der Verzicht auf Rückforderung, wenn die Courtagen den Aufwand des Brokers übersteigen, sei rechtmässig. All dies sei von unabhängigen Juristen sowie vom Kanton bestätigt worden.
Die Rheintaler Gemeinden würden bedauern, dass in der Presse dennoch «Mutmassungen über die Rechtmässigkeit des Rheintaler Versicherungspools» verbreitet würden.
Als jene Medienmitteilung verschickt wurde, hatte die Altstätter Geschäftsprüfungskommission (GPK) die Vorwürfe jedoch längst aufgegriffen, welche der Versicherungsexperte Alex Pfister im Januar gegenüber dieser Zeitung geäussert hatte. Nun muss der Altstätter Stadtrat prüfen, ob die Arbenz RVT die Rheintaler Gemeinden absichtlich getäuscht hat.
Stellungnahme von 2016
im Fokus
Gemäss Pfister ist der Verzicht auf Rückforderung der Courtagen nicht rechtens, weil die Gemeinden nie ermittelten, auf wie viel Geld sie verzichten. Erstens hätten sie keine Kenntnis über die Höhe der Courtagen gehabt, zweitens nicht über den Aufwand, der für den Broker angefallen sei.
Als Pfister mit dieser Kritik auf die Verantwortlichen des Versicherungspools zuging, verlangten sie eine Stellungnahme von Arbenz RVT. Das Schreiben von 2016 liegt dieser Zeitung vor. Darin gibt der Broker unter anderem an, dass die Courtagesätze bei allen Versicherungsgesellschaften gleich seien. Das kann laut Pfister aber nicht stimmen, weil jede Gesellschaft unterschiedliche Courtagen ausbezahle. Während sich die Gemeinden mit der Stellungnahme zufriedengaben, liess Alex Pfister nicht locker und überzeugte die Altstätter Geschäftsprüfungskommission vor zwei Jahren, eine Untersuchung einzuleiten. Heute sei ihm wichtig anzumerken, dass er weder den Pool noch die Broker­branche verunglimpfen möchte. «Der Pool hat seine Vor- und Nachteile. Zudem gibt es integre Broker, die transparent und wahrheitsgetreu informieren.» Aber die Ungereimtheiten, die er gefunden habe, hätten ihn nicht losgelassen.
Adrian Huggenberger, Präsident der GPK Altstätten, schreibt auf Anfrage: «Wir können bestätigen, dass wir aktuell mit dem Stadtrat das Thema ‹Rheintaler Versicherungspool› besprechen.» Da aktuell immer noch Abklärungen liefen, könne er im Moment keine weiteren Auskünfte erteilen.
Womöglich juristische Prüfung nötig
Die entscheidende Sitzung finde in ein bis zwei Wochen statt, sagt Ruedi Mattle, Stadtpräsident von Altstätten, auf Anfrage. Der Stadtrat habe das Thema bereits einmal besprochen. In jener Sitzung seien jedoch mehrere Fragen aufgetaucht, die von der Arbenz RVT noch beantwortet werden sollen. Liegen die Informationen auf dem Tisch, könne der Stadtrat eine Entscheidung treffen. Für Mattle steht fest: «Sollten wir feststellen, dass die Arbenz RVT absichtlich zu tiefe Courtagen angegeben und uns damit getäuscht hat, müsste man das weitere Vorgehen juristisch prüfen.»
Über die konkreten Folgen wolle er noch keine Prognose abgeben. «Falls der Stadtrat feststellt, dass der Verdacht nicht von der Hand zu weisen ist, müsste das weitere Vorgehen geklärt werden.» Die Einschätzung des Stadtrats würde voraussichtlich im Versicherungspool gemeinsam besprochen, um das weitere Vorgehen zu beraten. «Andernfalls müsste der Stadtrat selbst eine juristische Beurteilung vornehmen lassen.» Ob in diesem Fall sämtliche Courtagenüberschüsse
zurückgefordert und das Brokermandat neu öffentlich ausgeschrieben würde, bleibt unklar. Sicher ist laut Mattle, dass die Poolverantwortlichen in Bezug auf den Courtagenverzicht stets richtig gehandelt haben. So hätten zwei Anwaltsbüros unabhängig voneinander bestätigt, dass der Verzicht auf die Courtagenrückforderung rechtens war. Zum selben Schluss sei das Innendepartement gekommen.
Inzwischen habe die Stadt Altstätten zudem detaillierte gemeindespezifische Kenntnisse von den Courtagen, die Arbenz RVT erhält. Diese lägen jährlich bei rund 18 000 Franken. Darin seien alle Aufwendungen von den Ausschreibungen über die Beratung bis zur Schadenregulierung inkludiert. «Als wir den Pool gegründet haben, war dieses Modell neu. Es musste bis heute laufend weiterentwickelt werden.»
«Vorwürfe entbehren
jeder Grundlage»
Die Arbenz RVT ist optimistisch, was die Beratung im Stadtrat angeht: «Die zugrunde liegenden Vorwürfe entbehren jeder Grundlage. Deshalb gehen wir nicht von einem negativen Entscheid aus», schreibt das Unternehmen auf Anfrage. Die Behauptung, wonach die RVT in ihrer Stellungnahme von 2016 einen einheitlichen Courtagesatz von 6,85 Prozent angegeben habe, sei falsch.
Richtig sei wiederum, dass die Versicherungsgesellschaften je nach Branche, beispielsweise Personen- oder Sachversicherungen, jeweils annähernd einheitliche Courtagen vergüten. Der Prozentsatz von 6,85 Prozent sei die rückwirkende Durchschnittsbetrachtung über die verschiedenen Branchen und beziehe sich auf die Beobachtungsperiode 2015 für das ganze Portfolio des Versicherungspools Rheintal. Aus diesem Grund seien Schwankungen über den gesamten Bestand betrachtet von Jahr zu Jahr, aber auch von Institution zu Institution möglich, je nach Veränderungen der Parameter zur Bestimmung der Versicherungsprämie. Dies sei im Einklang mit dem Code of Conduct der schweizerischen Brokervereinigung. Auf die Nachfrage, weshalb Arbenz RVT in der Stellungnahme von 2016 dennoch betont, sie erhalte «von allen Gesellschaften einheitliche Courtagen», ging das Unternehmen nicht ein.
Brokermandat könnte bald neu ausgeschrieben werden
Der Widnauer Gemeindepräsident Bruno Seelos ist der Präsident des Vereins «Versicherungspool Rheintal», der im Januar gegründet wurde. Zuvor hatten zwei Fachjuristen das Poolmodell geprüft und empfohlen, die Vergabe der Versicherungspolicen von einer juristischen Person vornehmen zu lassen, um den formellen Vorgaben zur Vertragsvergabe nachzukommen.
Die Vereinsgründung sei durchweg positiv aufgenommen worden und die Reglemente auch während der Referendumsfrist unbestritten gewesen, schreibt Seelos auf Anfrage. Zudem sei der Versicherungspool nach seinen Informationen an keiner seither abgehaltenen Bürgerversammlung oder Informationsveranstaltung ein Thema gewesen.
Die Zusammenarbeit mit dem Broker Arbenz RVT wurde auch nach Vereinsgründung fortgesetzt. Auf die Frage, ob er diese Zusammenarbeit gefährdet sieht, sollte der Altstätter Stadtrat zuungunsten des Brokers entscheiden, antwortet Seelos: «Dem Ergebnis der Abklärungen des Stadtrats möchte ich nicht vorgreifen.» Er betont, dass die Courtagesätze den Gemeinden bereits bei der Vergabe der Versicherungspolicen bekannt seien.
Alex Pfister kritisiert schon lange, dass das Brokermandat schon öffentlich hätte ausgeschrieben werden müssen, als der Pool geschaffen wurde. Für die freihändige Vergabe des Mandats sei das Auftragsvolumen zu hoch gewesen. Offenbar scheint die Kritik auch bei
den Poolverantwortlichen an­gekommen zu sein, schreibt Bruno Seelos doch abschliessend: «Was das Brokermandat betrifft, laufen weitere Abklärungen im Hinblick auf eine Ausschreibung.»
Dasselbe gilt für den Pool «Fürstenland/Bodensee»: «Es ist sinnvoll, die Brokerdienstleistungen künftig auszuschreiben», so Dominik Gemperli, Gemeindepräsident von Goldach. Im kommenden September finde die jährliche Poolsitzung statt, bei der insbesondere besprochen werde, ob, mit wem und in welcher Form sich der Pool künftig organisiere.
Auch Lucas Keel, Gemeindepräsident von Uzwil, schreibt zum Versicherungspool «Wil und Umgebung», dass bereits im letzten Jahr eine Ausschreibung des Maklermandates ins Auge gefasst wurde. Die Grundlagen dafür seien in Erarbeitung. «Wir schreiben die Policen nach Plan und den Vorschriften des öffentlichen Beschaffungswesens aus und tun es auch mit dem Brokermandat.» Eine Organisationsänderung wie beim Pool Rheintal sei nicht nötig. «Wir haben uns anders als andere Pools bereits beim Start formell mit Statuten organisiert», schreibt Keel.
Den Grund für die Skepsis an der Seriosität des Brokers sieht Keel in der Unzufriedenheit der Branche darüber, dass sich Gemeinden zusammengeschlossen haben, um gemeinsam Versicherungsleistungen zu besseren Konditionen einzukaufen. «Das hat in der Branche nicht nur eitel Freude aus­gelöst.»
Bezüglich der Altstätter Untersuchung gibt Keel an, dass es beim Wiler Pool keine Hinweise auf Unkorrektheiten gebe. «In unserem Pool prüfen jährlich Revisoren den Zahlungsverkehr – das unterscheidet uns von anderen. Zudem sehen alle Mitglieder alle Policen. Betrügen kann jeder überall. Sollte es aus anderen Pools Erkenntnisse geben, schauen wir diese an.»


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