31.08.2022

Abgedrehte Justizgeschichte: Ein Stall mit Küche und Klo

Am Rande einer geschützten Trockenwiese im St. Galler Rheintal stand ein verlassener und verlotterter Weidestall. Eines Tages beschloss der Besitzer, das Gebäude in Stand zu setzen.

Von Rolf Vetterli
aktualisiert am 02.11.2022
Dafür reichte er ein Baugesuch mit dem harmlosen Titel «Unterhalt und Sanierung» ein. In Wirklichkeit plante er aber einen kompletten Umbau. Er beabsichtigte nämlich, den Stall in einen Wohnraum zu verwandeln, einen Kochherd und ein Wasserklosett einzurichten, eine Aussenwand zu versetzen sowie Fenster und Türen einzufügen.Das sankt-gallische Amt für Raumentwicklung verweigerte die Zustimmung und der Bescheid blieb unangefochten. Stattdessen stellte der Eigentümer ein Gesuch zur Umnutzung des Weidestalls in ein Bienenhaus: Er wolle sich nun darauf beschränken, einen Zwischenboden einzuziehen und Holzjalousien als Anflugöffnungen für die Bienen einzubauen. Dieses Vorhaben wurde vom kantonalen Amt mit Wohlgefallen betrachtet. Die Bienenhaltung sei in der Landwirtschaftszone ohne weiteres zulässig und passe gut zum Gebäude.Wenig später ersuchte der Besitzer darum, das Projekt geringfügig abändern zu dürfen. Dabei reichte er aber im Wesentlichen die alten Pläne in neuer Form ein. So schlug er etwa vor, im sogenannten «Bearbeitungsraum» einen Holzofen und ein Waschbecken zu installieren. Das weckte den Argwohn der Beamten. Sie schauten sich auf der Baustelle um und trauten ihren Augen kaum.Noch vor Behandlung seiner Eingabe hatte der Eigentümer tragende Strickwände ersetzt, einen Sitzplatz mit einem Grillrost errichtet sowie einen Zufahrtsweg samt einer Parkbucht erstellt. Hierauf lehnte das Amt die Planänderung ab und überliess es der Gemeinde, für eine Wiederherstellung des früheren Zustands zu sorgen. Der Gemeinderat begnügte sich allerdings mit dem Hinweis, die Baubewilligung zur Nutzung des Stalls als Bienenhaus sei weiterhin gültig, und lud den Bauherrn ein, sich nun gefälligst daran zu halten. Im Rekursverfahren verpflichtete das Baudepartement ihn jedoch dazu, die Scheune zurückzubauen oder ganz abzureissen.Danach wandte sich der Stallbesitzer an das Verwaltungsgericht mit dem Antrag, die Renovation uneingeschränkt zu bewilligen. Er behauptete, das Gebäude habe schon seit vielen Jahren nur noch als Aufenthalts- und Lagerraum gedient. Somit könne er sich auf die Bestandesgarantie berufen, die für Bauobjekte gelte, welche schon am Stichtag, beim Inkrafttreten des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes im Jahre 1972, zonenfremd genutzt wurden.Das Gericht erklärte jedoch, es handle sich lediglich um eine funktionslos gewordene altrechtliche Baute, wie das für viele Weidescheunen zutreffe. Das Gesetz wäre geradezu «korrumpiert», wenn man eine Umwidmung solcher seit langem leerstehender Scheunen ermöglichen würde. Nachdem der Besitzer eigenmächtig tätig geworden sei und dabei mehrere tragende Teile entfernt habe, bleibe nichts anderes übrig, als ihm einen vollständigen Abbruch des Stalls vorzuschreiben.Darauf beschwerte sich der Betroffene beim Bundesgericht, die Anordnung sei unverhältnismässig. Er habe nur einige Schwachstellen der Konstruktion behoben. Das oberste Gericht befand jedoch, die baulichen Massnahmen gingen weit über eine Substanzerhaltung hinaus. Der Bauherr habe bewusst auf eigenes Risiko gehandelt und müsse nun als Folge seines Leichtsinns einen Vermögensverlust hinnehmen.Die Gemeindebehörde forderte den Eigentümer nochmals auf, das illegale Bauwerk zu beseitigen und drohte ihm für den Weigerungsfall eine Ersatzvornahme auf seine Kosten an. Am allerletzten Tag der Frist brachte der Betroffene vor, das Ökonomiegebäude sei frisch verpachtet und werde fortan vertragsgemäss im Sommer als Schafstall und Bienenstand gebraucht. Die bislang rechtswidrige Baute sei nunmehr zonenkonform genutzt, weshalb der Abbruchbefehl in Wiedererwägung gezogen werden müsse.Das Baudepartement sprach unverblümt von einer querulatorischen Einstellung und einer missbräuchlichen Ausnützung des Rechtswegs. Das Verwaltungsgericht drückte sich etwas gelassener aus: Die Einwände seien haltlos und zielten nur auf eine Verzögerung ab. Und das erneut angerufene Bundesgericht meinte schliesslich in vornehmer Zurückhaltung, der Stall sei für einen allfälligen Pächter gar nicht betriebsnotwendig, weil die Tiere während der Sömmerungszeit auch im Freien untergebracht werden könnten.Damit steht fest: An diesem Ort ziehen keine Menschen ein und fliegen auch keine Bienen aus. Dafür ging es in der Justiz zeitweise zu wie in einem Bienenhaus.Rolf Vetterli Altkantonsrichter St. Gallen  

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