24.08.2021

Abfallsünde ungesühnt - auch wegen Fehler der Polizei

Ein Mann, der ob Berneck fünf Kehrichtsäcke ins Tobel geworfen haben soll, wurde vom Richter freigesprochen.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Werkhof-Mitarbeiter der Gemeinde Berneck hatten die illegal entsorgten 110-Liter-Säcke in einem Waldtobel an der Tigelbergstrasse 1 Mitte April des letzten Jahres gefunden. Im Abfall wurden ein Stempel und Fotos gefunden. Diese Hinweise haben sich einer Mutter aus Heerbrugg und ihrer Tochter zuordnen lassen. Mit 500 Franken gebüsst wurde der Gatte, der zudem der Gemeinde Berneck 800 Franken für die Bergung und Entsorgung des Abfalls bezahlen sollte.Jemand soll die Säcke mitgenommen habenDagegen wehrte sich der 42-Jährige, der mit seiner Familie seit knapp zwei Jahren in der Schweiz zu Hause ist. Im Strafbefehl wird die Geschichte hinter dieser Sache zusammengefasst so erzählt: Der Mann soll zwar aus Unwissenheit Abfall in einen Grüncontainer getan und von der Hauswartin auf diesen Fehler hingewiesen worden sein. Als er wenig später seinen Fehler habe korrigieren wollen, sei der (in schwarzen Säcken ohne Gebührenmarke gesammelte) Abfall bereits nicht mehr da gewesen. Die Ehefrau berichtete, sie habe sehen können, wie eine ihr unbekannte Frau mit einem Lieferwagen vorgefahren sei und die Abfallsäcke dem Container entnommen habe.Geschichte «äusserst unglaubhaft»Das Untersuchungsamt in Altstätten befand, es sei «äusserst unglaubhaft», dass eine unbekannte Drittperson Abfall an sich nimmt und damit vier Kilometer zurücklegt, um ihn illegal in einem Waldtobel zu entsorgen. Im Übrigen habe es der Beschuldigte auch sonst mit der Wahrheit nicht genau genommen. Bei den österreichischen Behörden sei er wegen Körperverletzung, gefährlicher Drohung, Unterschlagung und Verletzung der Unterhaltspflicht aktenkundig.Mann soll Entsorgung «zu teuer» genannt habenVor dem Einzelrichter in Altstätten stand der Mann am Montag, weil er bestritt, mit der illegalen Abfallentsorgung zu tun zu haben. Gegen den Strafbescheid hatte er Einsprache erhoben. Seine Frau war als Auskunftsperson vorgeladen, eine Nachbarin als Zeugin. Die Nachbarin bestätigte dem Richter, was sie der Polizei gesagt haben soll: Dass der Beschuldigte sich über die seines Erachtens zu teure Abfallentsorgung in der Schweiz beklagt und gesagt habe, er werde sich um die Entsorgung kümmern. Dass Mitarbeitende einer (mit Umgebungsarbeiten betrauten) Gärtnerei oder Gemeindeangestellte den Abfall mitgenommen haben, ist nicht anzunehmen. Die Bekleidung jener Leute unterscheidet sich farblich zu stark von der Bekleidung, wie die Frau des Beschuldigten sie beschrieben hatte.Der Beschuldigte forderte «Fakten und Beweise»Die Ehefrau des Beschuldigten bestritt vor dem Richter eigene Aussagen, die sie bei der Polizei gemacht haben soll. Ihr Mann berief sich auf Missverständnisse und spekulierte, vielleicht habe jemand ihm und seiner Familie mit der illegalen Entsorgung ihres Abfalls schaden wollen.«Wenn ihr mich beschuldigt, will ich Fakten und Beweise, dass ich persönlich diesen Abfall weggeschmissen habe», sagte er und behauptete seine Unschuld. Er werfe nicht mal Zigarettenstummel auf den Boden.Der Richter zeigte sich überrascht von den mangelnden Deutschkenntnissen der Ehefrau (die vor Gericht eigentlich die Anwesenheit eines Dolmetschers erfordert hätten) und schloss die vom Beschuldigten behaupteten Missverständnisse bei der polizeilichen Befragung nicht aus. Ausserdem bezeichnete der Richter die polizeilichen Befragungen der Ehefrau sowie der Nachbarin aus formellen Gründen als nicht verwertbar.In beiden Fällen wurde durch die Polizei kein Protokoll erstellt und keine der beiden Frauen hat ein Papier unterzeichnen müssen.Die Akten helfen auch nicht weiterZum Freispruch des Beschuldigten führten zwei Grundsätze unseres Rechts. Der erste ist die Unschuldsvermutung, der zweite heisst: Im Zweifel für den Angeklagten. Zwar sei zumindest teilweise nachgewiesen, dass der illegal entsorgte Abfall vom Beschuldigten und seiner Familie stamme, aber ein direkter Beweis für die illegale Entsorgung durch den Familienvater bestehe nicht.Allenfalls hätten Anhaltspunkte aus den Akten trotzdem zu einem Schuldspruch führen können, aber die Unverwertbarkeit der polizeilichen Ausführungen schliesst dies aus.Somit seien drei Varianten denkbar, meinte der Richter: Die Frau hat den Abfall im Waldtobel entsorgt, der Mann war es (halt doch) – oder eine Drittperson, so unwahrscheinlich dies auch ist – hat’s getan. Die Verfahrenskosten von insgesamt fast 2000 Franken hat der Staat zu tragen. 

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