29.08.2019

55 Kilometer in 22 Stunden

23 Teilnehmer wanderten im August in 22 Stunden 55 Kilometer von Degersheim nach Rheineck.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Mitten in der Nacht versammeln sich 31 Wandersleute am Bahnhof Degersheim. Darunter ist Urs Manser aus Staad. Er nimmt erstmals teil. Die Wanderschuhe des 61-Jährigen sind geschnürt, der Proviant verstaut, die Stirnlampe einsatzbereit. Ohne diese wäre die nächtliche Durchquerung der Wissbachschlucht eine Herkulesaufgabe. Doch auch mit ihr stehen 22 strenge Stunden bevor.2400 Meter rauf, 2800 Meter runterKaum haben die Teilnehmer die Wissbachschlucht gemeistert, geht es am Weiler Schwänberg, der ältesten Siedlung des Appenzellerlands, vorbei und weiter über Herisau ins Urnäschtobel. Es ist die Wanderroute 22, Kulturspur Appenzellerland. Auf 55 Kilometern sind 5200 Höhenmeter und etliche Schwierigkeiten zu bewältigen. «Besonders das Wandern in der Dunkelheit ist tückisch», erklärt Manser, «wir waren hoch konzentriert und froh, zwei Wanderleiter an der Seite zu wissen.» Fast mystisch ist es frühmorgens beim Durchqueren des Höggwaldes unter rosa und lila gefärbtem Himmel.In Stein machen die Teilnehmer die erste von drei Pausen und geniessen ein Frühstück, bevor es durchs Sittertobel nach Teufen und zum Kloster Wonnenstein geht. Im Auf und Ab des Mittellands wandert die Gruppe über den Hügelzug der Eggen nach Trogen, wo der Anstieg zum höchsten Punkt beginnt. «Die Ankunft auf dem Kaienspitz war ein Höhepunkt. Beim Apéro genossen wir den Blick auf den Bodensee im Norden und den Alpstein im Süden und freuten uns, dass es nun bergab ging», sagt Manser.Wenn Kopf und Beine streikenDie Gruppe blieb während der Wanderung zusammen, unter den Wanderern gab es unzählige Gespräche. «Das Ziel war, bis Rheineck durchzuhalten», sagt der technische Berater im Aussendienst. Er sei neugierig gewesen, herauszufinden, wer 22 Stunden am Stück wandern möchte. Die Jüngsten waren 29 Jahre alt, der Älteste, der die ganze Strecke zurücklegte, 67. Es waren Handwerker, Grundbuchverwalter, selbstständige Unternehmer und Pensionäre dabei. Trotz verschiedener Herkunft und Fitness waren die Freude an der Bewegung und der Wille, die Herausforderung zu meistern, allen gemeinsam.Nicht allen setzte die Wanderung gleich zu. Während Manser nur über etwas schmerzende Füsse klagte, hatten andere Motivations- und Fitnessprobleme. Darum gehe es bei Extremwanderungen. «An seine Grenzen zu stossen, diese auszuloten, ist genauso ein Teil des Abenteuers wie die Ausblicke auf die Landschaft und der Einblick in die Kultur», so der Staader. Man habe sich gegenseitig unterstützt, sei es mit Pflastern für geplagte Füsse oder einem aufmunternden Gespräch.Unbeschreibliche Gefühle zum SchlussBevor das letzte Stück in Angriff genommen wird, stärken sich alle in Heiden beim Abendessen. Den meisten sind die Strapazen anzusehen. Aber Mansers 22 Wanderfreunde sind entschlossen, den kurzen, knackigen Abstieg von Heiden über Wienacht und Tobel nach Rheineck anzugehen. «Die Gefühle zum Schluss der Wanderung sind unbeschreiblich. Wir sind stolz, das zuvor Unvorstellbare geschafft zu haben, aber auch froh, dass es ohne Zwischenfälle vollbracht ist und wir bald die Schuhe ausziehen können», sagt Manser.Von den 31 gestarteten Personen kamen 23 in Rheineck an. Ihnen wird der Verein Appenzell Ausserrhoder Wanderwege ein Diplom und das Gruppenfoto vom Kaienspitz zusenden. Für Manser ist es das erste Diplom dieser Art, bisher hat er noch nie an einer ähnlichen Wanderung teilgenommen. «Die Organisation war gut und es hat an nichts gefehlt», sagt er. Es ist daher gut möglich, dass der Staader an weiteren Wanderungen anzutreffen sein wird.

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