01.10.2019

«500 Franken sind zu viel»

Der Ständerat hat eine Klimaabgabe auf Privatflüge beschlossen. Bürgerliche fürchten um den Flugplatz Altenrhein.

Von Adrian Vögele
aktualisiert am 03.11.2022
Flugtickets verteuern zugunsten des Klimas, schön und gut. Aber was ist eigentlich mit Privatflugzeugen? Diese Frage warf der parteilose Schaffhauser Ständerat (und Vogelschützer) Thomas Minder vergangene Woche in der Beratung des CO2-Gesetzes auf. Und landete einen Coup:   Sein Antrag, 500 Franken Klimaabgabe auf jeden Privatflug mit Start in der Schweiz zu verlangen, fand im Ständerat überraschend eine Mehrheit. 18 zu 16 Stimmen bei sechs Enthaltungen lautete das Resultat.Der Bundesrat und die Umweltkommission hatten den Antrag abgelehnt. Wen die Abgabe genau betreffen soll, blieb unklar. Minder selber hatte in seinem Votum von Privatjets gesprochen, wie sie beispielsweise während des Weltwirtschaftsforums in Davos jedes Jahr zu Hunderten in der Deutschschweiz landen. Allerdings sind auch Leichtflugzeuge nicht von seiner Forderung ausgenommen. Ausnahmen könne dann der Bundesrat definieren, «ich habe das bewusst offengelassen», so der Schaffhauser, der in der SVP-­Fraktion politisiert. Auch wenn es sich um einen Nebenschauplatz in der grossen Klimadebatte handelt: Der Entscheid der kleinen Kammer wirbelt Staub auf. «Ich glaube, diese 500-Franken-Abgabe hätte erhebliche negative Auswirkungen auf den privaten Flugverkehr – und auf Regionalflugplätze wie Altenrhein», sagt der St. Galler FDP-Nationalrat Marcel Dobler. Der Ständerat habe der Abgabe offenbar zugestimmt, ohne die Folgen zu thematisieren. «500 Franken pro Start sind zu viel. Vor allem für die Piloten in Ausbildung, die Segelfliegerei und die Sportfliegerei mit kleinen Maschinen.» Verärgert zeigt sich der SVP-Nationalrat und Rorschacher Stadtpräsident Thomas Müller. Der Ständerat habe in der Klimadebatte «den Kompass verloren und sich der Glaubensgemeinschaft der Greta-Anbeter angeschlossen». Für Flugplätze wie Altenrhein, Lugano und Sion bedeute die 500-Franken-Abgabe «Lichterlöschen», ebenso für die Pilotenausbildung in der Schweiz. «Ich hoffe, dass wir den Entscheid im Nationalrat korrigieren können.» Rechsteiner und Würth: «Es geht um Fairness» Die St. Galler Ständeräte Paul Rechsteiner (SP) und Benedikt Würth (CVP) haben der Privatflugabgabe zugestimmt. Beide betonen, es gehe um Fairness gegenüber gewöhnlichen Flugpassagieren. «Wenn wir die Flugtickets aus ökologischen Gründen verteuern, ist es nur konsequent, auch eine Abgabe auf Privatflüge zu erheben», sagt Würth. Letztere Regelung müsse nun der Nationalrat im Detail ausarbeiten. «Aber der Grundsatz, dass auch die Sport- und Geschäftsfliegerei einen Beitrag leisten, ist sicher richtig.» Auch Rechsteiner hält fest, die Abgabe sei noch nicht klar definiert, dazu seien im Nationalrat Abklärungen nötig. Der Antrag Minder, den der Ständerat angenommen habe, sei als «Platzhalter» zu verstehen.Bundesrätin Simonetta Sommaruga hatte im Ständerat Sympathie gezeigt für Minders Absicht. Allerdings bezweifelte sie  die Lenkungswirkung der Abgabe. «Der Privatflug ist wirklich die absolut teuerste Form, sich fortzubewegen, und da sind 500 Franken relativ wenig.» Auch werde dieser Pauschalbetrag der effektiven Umweltbelastung der jeweiligen Flugzeuge nicht gerecht. Wenn schon, dann sei es sinnvoller, für Businessjets oder  private Flugreisen zu touristischen Zwecken die Mineralölsteuer zu erhöhen.Zweittext:Flugplatzbetreiber sieht Arbeitsplätze bedroht  Reaktionen: Die Ostschweizer Aviatikbranche ist alarmiert über den Entscheid des Ständerats. Am Flugplatz Altenrhein hätte eine Abgabe von 500 Franken pro Privatflug einen massiven Rückgang der Flugbewegungen zur Folge und würde auch die Pilotenausbildung betreffen, wie Pressesprecher Thomas Mary auf Anfrage sagt. Bei der Geschäftsfliegerei sei davon auszugehen, dass Businessjets vermehrt ins nahe Ausland ausweichen würden, statt in Altenrhein zu landen. Insgesamt ­wären durch eine 500-Franken-­Abgabe «Dutzende Arbeitsplätze am Flugplatz und bei nachgelagerten Betrieben bedroht», wie Mary weiter schreibt.  Die konkreten Auswirkungen des neuen CO2-Gesetzes liessen sich jedoch erst beziffern, wenn dieses in Kraft sei.  Auch die Sportflugszene fürchtet um ihre Existenz. Die 500-Franken-Abgabe betreffe jeden Start eines Motorflugzeuges, eines Segelflugzeuges, eines Ballons, ja sogar eines Absetzflugzeuges für Fallschirmspringer, heisst es im Newsletter der  Interessengemeinschaft Ostschweizer Luftfahrt. Zwar sei das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen. Jedoch: «Wenn das Gesetz so durchkommt, dann ist dies das Ende der Leichtaviatik.» (av)  

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