Hildegard BickelPlötzlich habe sie sehr viel Privatsphäre, sagt die 71-Jährige und nimmt Platz am Esstisch im hellen Wohnzimmer. Es fühle sich noch ungewohnt an, in der Attika-Neubauwohnung im Dorf zu wohnen. Am 6. Januar sei sie aus der Rietmühle ausgezogen, mit einem eigenartigen Gefühl. «Meine Servicemitarbeiterinnen zeigten fast noch mehr Emotionen als ich», sagt Theres Köppel. «Ich habe den Abschied zur Seite geschoben. Aber irgendwann muss es einen Schlussstrich geben. Ich kann nicht bis 80 in der Küche stehen.» Gern hätte sie eine «Ustrinkte» veranstaltet, was unter den derzeitigen Umständen nicht möglich war. Mit einem Inserat in dieser Zeitung machte sie öffentlich auf die Schliessung der Rietmühle aufmerksam. Sie prägte das Restaurant mit Persönlichkeit Theres Köppel ist eine Frau mit adretter Erscheinung. Das weissblonde Haar stets sorgfältig frisiert, mit aufrechter, energievoller Haltung. Sie ginge glatt als Hotelmanagerin durch. Sie aber kümmerte sich um weit mehr als Schreibtischarbeiten. Sie kochte, bediente, putzte. Die gebürtige Österreicherin, eine Steirerin, die mit 18 Jahren einem Stelleninserat folgte und in die Schweiz kam, war Vollblutwirtin, die mit ihrer Persönlichkeit die Rietmühle prägte.Ein treuer Kern kam wegen ihr und den Jassrunden in die Rietmühle. Bis zuletzt bot sie Mittagsmenüs an, die bei Stammgästen besonders geschätzt waren. An Wochenenden herrschte reger Betrieb mit Familienfeiern und Gesellschaften. Schien die Sonne, fuhren viele Gäste mit dem Velo zum Restaurant und bevölkerten den Garten, Kinder verweilten auf dem Spielplatz, das Karussell war ein Magnet. Den guten Ruf der «Rietmühle» erarbeitete sich die Wirtefamilie mit grossem Einsatz. Theres Köppel und ihr Mann Robert, ein ausgebildeter Koch, übernahmen 1972 das Restaurant, das ursprünglich ein Bauernbetrieb war. Die damals 23-Jährige war skeptisch. Sie hatte bereits einige Jahre Erfahrung im Gastgewerbe und wusste: «Machst du dich selbstständig, bist du auch an freien Tagen beschäftigt.» Doch das junge Ehepaar packte die Herausforderung an und auch die zwei Kinder, Isabelle und Marcel, wurden von den Eltern eingespannt. In den letzten Jahren hat die Tochter regelmässig im Service geholfen. Der Sohn lebt in Luzern und kommt jeweils zu Besuch ins Rheintal. Wirtin geblieben trotz SchicksalsschlagVor einer schwierigen Entscheidung stand Theres Köppel 1996, nachdem ihr Mann an Krebs gestorben war. Sie zweifelte, ob sie den Betrieb weiterführen sollte. «Wir hatten damals viel zu tun. Arbeitstage, die 15 bis 16 Stunden dauerten, waren normal.» Sie blieb in der Rietmühle, ohne es zu bereuen. Sie lernte dazu und übernahm das Zepter in der Küche. «Es war ein Erfolgserlebnis, wenn es Komplimente gab.» Am liebsten bereitete sie Salatteller zu. «Oder Schweinsfilet, innen schön rosa», sagt Theres Köppel. «Ich habe den Job gern gemacht.» Vor allem dank guter, treuer Kundschaft. Dazu gehörten auch viele Vereine, die bei ihr einkehrten. Nie hatte sie Schwierigkeiten mit den Gästen. Ihre unverblümte Art war von Vorteil. «Manche würden sagen, ich hatte früher Haare auf den Zähnen», sagt sie und lacht. «Vielleicht war es Autorität.» Theres Köppel kannte praktisch alle ihre Gäste. «Ich habe mit ihnen viele schöne und lustige Stunden erlebt. Auch wenn es strenge Zeiten gab, die heiteren Stunden überwiegen deutlich.» Den Ruhestand mit Hobbys ausfüllenIn ihrem neuen Alltag ohne das Wirten geht Theres Köppel oft spazieren. Sie hat sich vorgenommen, mehr zu lesen, ihre Englischkenntnisse zu vertiefen und in einem Chor zu singen, sobald es wieder möglich ist.Sie erzählt von ihrer Reisefreude und Ferien in Sri Lanka, wo eine Ayurveda-Behandlung ihre Arthritis linderte. «Ich arbeitete im Restaurant oft mit den Händen im Wasser, das war schmerzhaft.» Sie pflegt zudem ihr Beziehungsnetz und lädt manchmal ehemalige Stammgäste ein. So schlimm kann es also nicht gewesen sein mit ihrer direkten Art. Sie lacht: «Jedenfalls nicht mit allen.»Ablösung vom ehemaligen WirkungsortKürzlich war sie zum Kaffee eingeladen bei den neuen Bewohnern der Rietmühle. Stefan und Brigitte Britschgi bezogen die ehemalige Wohnung von Theres Köppel. Im Stall sind immer noch Pferde untergebracht, wie seit jeher. Die Gaststube könnte künftig als Personalkantine genutzt werden. «Mittlerweile habe ich das Gefühl, es ist nicht mehr mein Reich», sagt Theres Köppel. «Ein Haus verändert sich mit den Personen, die es beleben.» Sie ist ihren Nachfolgern wohlgesinnt und hofft, die Pläne des Gemüsezentrums können realisiert werden. Sie habe gute Verhandlungen mit der Fahrmaadhof AG geführt und deshalb die Rietmühle überhaupt verkauft.