29.10.2019

2,5 Mal so gross wie Insel Mainau

In unserer Region haben fünf Ortsgemeinden eigene Reben. In Rüthi sind Hobby-Rebbauern die «Ehrenretter».

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererIn Montlingen gibt es den Bergliwy, in Altstätten den Forstwein und in Au den Burgwein. Die Reben für diese besonderen Weine wachsen auf Ortsgemeinde-Boden. Hingegen besitzen die Ortsgemeinden in den bedeutendsten Weindörfern keine Reben.In Berneck ist die kantonsweit grösste Fläche dem Wein vorbehalten – 39 Hektaren. Es folgen Thal und Balgach. Die 22,4 Hektaren in Thal stellen die grösste zusammenhängende Rebfläche im Kanton St. Gallen dar.Dass ausgerechnet die Ortsgemeinde des Weindorfs Berneck sich aus dem Weinbau heraushält, hat einen einfachen Grund. Ortsgemeindepräsident Guido Seitz sagt, alle Weinproduzenten im Dorf seien Ortsbürger – und diesen wolle man nicht mit eigenem Wein Konkurrenz machen. Die in der Vergangenheit schon geführte Diskussion über das Thema endete mit dem Bekenntnis zugunsten ausschliesslich privatwirtschaftlicher Weinproduktion.Beim Kauf der Burg viele Reben bekommenIm Nachbardorf Au ist die Ortsgemeinde hingegen Eigentümerin von reichlich Rebland. Das ist erstaunlich, weil die Fläche vor der Jahrtausendwende noch etwas weniger als eine halbe Hektare betragen hatte. Doch mit dem Kauf der Burg-Liegenschaft Mitte des letzten Jahrzehnts wurde die Fläche zunächst mehr als dreimal so gross. Vor fünf Jahren wurden auch hinter der Burg Rebstöcke gesetzt, so dass die Weinbaufläche der Ortsgemeinde weiter wuchs – und nun 2,9 Hektaren beträgt.Präsident Arthur Messmer sagt, gerade in unserer Gegend, die man für ihren Wein kenne, wäre es schade, würden ausgerechnet die schönsten und steilsten Hänge nicht für den Rebbau genutzt. Den grössten Teil der Fläche, gut 60 Prozent, hat die Ortsgemeinde verpachtet.Eine grössere Rebfläche als die Auer besitzt im Rheintal einzig die Ortsgemeinde St. Margrethen, die aber anders als die Kollegen im südlichen Nachbardorf keinen eigenen Wein herstellt, sondern den ganzen Boden verpachtet hat.St. Margrethen ist eine von lediglich vier Gemeinden im Tal, die Reben in ihrem Wappen haben, nebst Berneck, Thal und Rebstein. Die in St. Margrethen einst grosse Weintradition verschwand weitgehend, bis zu Beginn der Achtzigerjahre der Rebbaubetrieb Kessler entstand, der seither das Rebland der Ortsgemeinde bewirtschaftet.Altstätter mit eigenem RebmeisterIm oberen Rheintal ist Altstätten beim Wein führend. Die immer noch ansehnliche Rebfläche von insgesamt 10,8 Hektaren war vor gut 200 Jahren 15 Mal so gross. Zu jener Zeit war Altstätten die grösste Weinbaugemeinde im Kanton.Für die Ortsbürgergemeinde, die heute am Forst-Südhang zwei Hektaren Reben besitzt, ist ein eigener Rebmeister mit Mitarbeiterinnen tätig. Der (bei Haubensak gekelterte) rote Forstwein ist weitherum bekannt, die Ortsgemeinde verkauft ihn in eigenen 7-dl-Flaschen, stellt aber auch anderen Wein her. In der jüngeren Vergangenheit hat die Ortsgemeinde den Rebberg zusammen mit dem Verein Pro Riet Rheintal ökologisch aufgewertet; das Projekt wird fortgesetzt.Am Bergli wird tüchtig ausgebautIn Montlingen ist ebenfalls die Ortsgemeinde um die Pflege der Weintradition bemüht. Ihr gehören zwei Drittel der insgesamt knapp 1,5 Hektaren Rebfläche auf Oberrieter Boden. Die Reben in privater Hand befinden sich beim Schloss Blatten und beim Chapf im Moos. (Die Reben auf dem Huberberg in der Hub liegen auf Altstätter Boden.)Die Ortsgemeinde Montlingen setzte 2005 nach 50-jähriger Pause die Weinproduktion fort (siehe Text unten). Heute ist zwar erst gut die Hälfte des Ortsgemeinde-Reblandes bepflanzt, im übernächsten Jahr werden dann 82 Prozent der verfügbaren Hektare bewirtschaftet.In den letzten 15 Jahren wurde der Rebberg am Montlinger Bergli von 777 Rebstöcken auf 2750 vergrössert. Ebenso viele 7,5-dl-Flaschen weissen und roten Bergliwy stellt die Ortsgemeinde im Jahr durchschnittlich her.96 Oechslegrad in RüthiIn Rüthi war bis in die Sechzigerjahre der Vater von Hanspeter Udry als Rebbauer tätig. Am Weinberg, der diesen Namen behalten hat, bewirtschaftete er 0,85 Hektaren. Danach war Rüthi ohne Reben. Als zu Beginn des neuen Jahrtausends der Pfarrer einmal von der Kanzel herab meinte, leider gebe es in Rüthi keine Reben mehr, bekam er handkehrum von Peter und Charlotte Egger eine Flasche einheimischen Roten geschenkt. Die beiden lassen bei ihrem Haus auf 150 m2 seit 25 Jahren Reben wachsen und ernten durchschnittlich 100 bis 150 Kilo, im Spitzenjahr 2018 waren es 220. Als Hobby-Rebbauern gehören Eggers zu den Ehrenrettern der südlichsten Gemeinde im Wahlkreis Rheintal. Und dies umso eindrücklicher, als ihr Wein nicht am Hang, sondern im Wohnquartier Dörnen, in der Ebene entsteht – und letzten Herbst einen Oechslegrad von stolzen 96 Grad erreichte. Allerdings gibt es nebst Eggers noch einen weiteren Rüthner Weinbauern: Albin Heeb, der im Grafenfeld (unterhalb von Plona) 1500 m2 bewirtschaftet und sogar selbst keltert. Diesen Herbst erbrachten seine sechs- bis siebenhundert Stöcke 300 Liter roten und 150 Liter weissen Wein. Sohn Adrian beabsichtigt, in Vaters Fussstapfen zu treten.Die gesamte Fläche von Rüthi bis Thal, die dem Weinbau dient, erstreckt sich über 1,2 Quadratkilometer. Sie ist somit gut zweieinhalb Mal so gross wie die Insel Mainau und entspricht rund 170 Fussballfeldern.....................Bewegte Rebbaugeschichte(Nicht dokumentierten) Überlieferungen zufolge soll ein Job in der Pfarrei Montlingen bei den Pfarrherren seit jeher besonders begehrt gewesen sein, so dass kaum je eine Pfarrvakanz bestanden habe und hier «stets tüchtige Geistliche wirkten», wie Herbert Markovits 2014 schrieb.Der Grund dafür soll mit den Reben zu tun haben, von denen sich ein grosser Teil im Besitz der Kirchgemeinde befand. Die Pfarrherren konnten sich einen Teil des Lohnes aus dem Rebberg der Pfarrei erwirtschaften oder erwirtschaften lassen. Der grössere Teil der Parzellen am Montlingerberg war aber im Eigentum Privater, die sich genossenschaftlich organisiert hatten.Die Ortsgemeinde als heutige Eigentümerin hat in ihrem Archiv eine Flaschen-Etikette, die von der einheimischen Kunstmalerin Hedwig Scherrer gestaltet wurde und die vor 1938 entstanden war.Der kalte Winter 1956 mit Temperaturen bis minus 30 Grad liess den grössten Teil der Reben erfrieren. Sie wurden ausgestockt und nicht mehr ersetzt. Die Ortsgemeinde pflanzte auf ihrem Boden bei der Kapelle St. Anna eine Christbaumkultur. Weil die Bäume aber nie gefällt wurden, entstand nach und nach ein stattliches Wäldchen.1998 besann man sich auf die einstige Tradition, was die Wiederaufnahme des Bodens in den Rebkataster und eine Ersatzaufforstung andernorts zur Folge hatte. Am 26. April 2003 wurden auf 1300 m2 die ersten 777 Rebpflanzen Blauburgunder im Stickelbau gesetzt. (gb) 

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