01.06.2022

10000 Kilometer in einem Monat

Im April brachte die Rheintaler Punkband Nofnog ihr neues Album «Insomnia» heraus. Am Samstag startet die grosse Europa-Tournee.

Von Cassandra Wüst
aktualisiert am 02.11.2022
Cassandra WüstInnerhalb von 20 Tagen werden Nofnog mit ihrem Bandbus neun Länder bereisen, 18 Konzerte spielen und 10000 Kilometer zurücklegen. Es ist ein ziemliches Programm, das sich die Punkmusiker aus dem Rheintal vorgenommen haben. Als Support der bekannten amerikanischen Band Good Riddance werden Nofnog vom 4. bis 24. Juni in Deutschland, Norwegen, Schweden, Polen, der Slowakei, Frankreich, Österreich und der Schweiz auf der Bühne stehen, um das im April veröffentlichte Album «Insomnia» zu promoten. Es ist das vierte in der Bandgeschichte.Respekt, dass bei der Tour alles reibungslos verläuft, schwingt da natürlich mit. «Es ist ein echter Hoselupf, den wir vor uns haben», sagt Gitarrist Roger Inauen. Leadsänger und Schlagzeuger Jerome Lüchinger ergänzt: «So viele Kilometer haben wir mit unserem Bus noch nie zurückgelegt, aber wir freuen uns auf das Abenteuer.» Abenteuerlich wird die Reise auf jeden Fall, denn geschlafen wird entweder im mit Betten ausgestatteten Bandbus, bei Veranstaltern, in Hotelzimmern oder gar nicht. Zwischen Ankunft, Soundcheck und Gig bleibt kaum Zeit, die Stadt zu erkunden. Und auch nicht, um in diesen Tagen ein bisschen Abstand und Ruhe für sich zu gewinnen. «Wir sind beste Freund und wissen zum Glück, wie jeder tickt», sagt Lüchinger und lacht. Er spricht aus Erfahrung, denn es ist nicht die erste Tournee für die Oberrieter.Von Kellerkonzerten und solchen auf einem Lastwagenanhänger im Oberrieter Riet, mit Bierdosen im Kuhtrog, haben sie sich distanziert. Stattdessen spielen die Punker nun auf Bühnen in der ganzen Welt. Vom Luftschutzkeller auf die grossen BühnenZwei Mexiko-Tourneen, eine in Kuba und eine durch Costa Rica, Panama und Kolumbien gehören zu ihrem Palmarès. Auf ihren Reisen konnten sie bereits Bands wie The Offspring, Anti Flag oder Pennywise unterstützen. Am Greenfield Openair spielten sie vor 4000 Zuschauerinnen und Zuschauern – gaben aber auch schon Konzerte vor fünf Personen. «Es ist schon etwas Besonderes, wenn die Leute bei deinen Songs mitsingen oder wenn du durch Barcelona läufst und jemand mit einem Nofnog-Shirt auf dich zukommt», sagt der Gitarrist. Der Erfolg ist nicht das, was man in der Punkszene sucht, wie Inauen sagt. «Wenn wir das wegen des Geldes machen würden, wären wir besser beraten, andere Musik zu machen», sagt Lüchinger und fährt fort: «Es ist und bleibt ein Hobby, das uns allen Spass macht. Die Band hält uns jung im Kopf.» Und das schon seit 19 Jahren, als die Band auf einer Skateanlage in Oberriet ihren Anfang nahm. Anders zu sein als andere, das war für Lüchinger und Inauen schon früh ersichtlich. «Wir waren linke Exoten auf dem Land», sagt Inauen. Damals lernten sich die beiden beim Skaten kennen und kamen zwischen dem Üben von Kickflips und den Punkrockklängen von Blink 182 auf die Idee, selbst eine Punkband zu gründen. Mit einem Schlagzeug aus der Brockenstube und einer 150-Franken-Gitarre von Riccardo starteten die 15-Jährigen im Luftschutzkeller der Eltern in Oberriet. Zwischen Konservendosen, Klopapier und selbst gemachter Konfitüre brachten sich die Buben ihre Instrumente bei, begannen mit Coversongs und schrieben gelegentlich eigene Lieder. Von der ursprünglichen Viererbesetzung sind nur noch die beiden Gründer Lüchinger und Inauen dabei. Seit sieben Jahren spielen sie nun in der aktuellen Formation mit Raffael Zweifel am Bass und Rafel Fuchs an der Gitarre. Dem Punk sind sie aber immer treu geblieben. Punk ist nicht tot – ausser vielleicht im RheintalDas Lebensgefühl der Subkultur, die Weltoffenheit, die linke politische Haltung und der Widerstand gegen den Zwang zur Rationalisierung werden von den vieren auch heute noch gelebt. Das spiegelt sich selbst in ihren Liedern. Das neue Album «Insomnia» rechnet ab mit weltweiter sozialer Ungerechtigkeit, der Zweigleisigkeit unserer Geschichte und dem Kampf mit dem inneren Ich. Nofnog haben einmal mehr bewiesen: Punk ist nicht tot. Aber sie geben auch zu: «Die Generation, die den Punk geprägt hat, ist erwachsen geworden. Es gibt kaum Nachwuchs», sagt Lüchinger. So gibt es im Rheintal seit mehreren Jahren keine Konzerte mehr, weil es zu all dem auch an Spielstätten mangelt. Die Punkszene existiert hier kaum. «Wir würden auf jeden Fall gerne wieder ein Konzert in unserer Heimat spielen», sagt Inauen. Vielleicht schon nächstes Jahr, wenn Nofnog ihr 20-jähriges Bestehen feiern.

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