Claudia SchmidBei der Indoor-Hanfplantage handelte es sich um eine grosse Anlage mit knapp 10 000 Pflanzen, deren Blüten laut Anklageschrift einen Wert von mehreren Hunderttausend Franken hatten. Am Überfall, der gründlich schief ging, waren sechs Männer beteiligt. Einer der Angreifer schoss auf zwei Wachposten und verletzte sie schwer. Als die Männer merkten, dass einer der Verletzten mit dem Tod rang, flüchteten sie, riefen aber auch die Ambulanz. Im Rahmen eines weiteren Überfalls sollen drei Beschuldigte in eine Wohnung eingedrungen sein, mehrere Personen gewaltsam überwältigt und Kokain entwendet haben.Zum Prozessauftakt am Montag befragte das Kantonsgericht St. Gallen die sieben Beschuldigten. Der Haupttäter, ein heute 42- jähriger Schweizer, hatte auf die beiden Wachposten geschossen. Er wurde 2017 vom Kreisgericht Rheintal wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und anderer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von 10,5 Jahren und einer stationären Massnahme verurteilt. In der Berufungsverhandlung verlangt er Teilfreisprüche, eine mildere Strafe und den Verzicht auf die Massnahme. Im Gegenzug beantragt die Staatsanwaltschaft eine höhere Sanktion. In der Befragung des vorsitzenden Richters kam das Vorleben des Haupttäters zur Sprache. Er ist mehrfach vorbestraft. Unter anderem war er 1997 am Überfall auf die Fraumünster-Post in Zürich beteiligt.Munition verwechseltAnfang 2015 liess er sich für den Überfall auf die Hanfplantage anheuern. Die sechs Beteiligten sollen den Angriff gemeinsam geplant und ausgeführt haben, doch nur der Hauptangeklagte führte eine Waffe mit sich. Er machte am Montag vor dem Kantonsgericht geltend, die Munition verwechselt zu haben. Anstatt Gummigeschosse habe er kurz vor dem Überfall aus Versehen Flintenlaufgeschosse geladen. Überhaupt sei nicht geplant gewesen, die Waffe einzusetzen. Vielmehr habe man die Bewacher so rasch als möglich überwältigen und fesseln wollen. Bis zu jenem Tag habe er noch nie einen Menschen verletzt.Dieser Vorfall habe sein Leben verändert, betonte der Mann, der sich zurzeit in einer Strafvollzugsanstalt befindet. Er sei bereit, eine hohe Haftstrafe für diese Tat abzusitzen, doch wehre er sich mit Händen und Füssen gegen eine stationäre Massnahme nach Artikel 59. Diese verbaue ihm jegliche Aussicht auf eine Zukunft mit seiner Familie. Fünf der sechs weiteren Beschuldigten wurden von der Vorinstanz wegen qualifizierten Raubes und anderer Straftaten verurteilt, einer wegen schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und weiterer Delikte. Sie erhielten bedingte oder teilbedingte Freiheitsstrafen, Geldstrafen und Bussen. Alle am Überfall Beteiligten wurden gegenüber den beiden verletzten Bewachern schadenersatz- und genugtuungspflichtig erklärt. Fünf der Männer hatten gegen das Urteil der Vorinstanz Berufung eingelegt und eine mildere Bestrafung verlangt. Zwei der Beschuldigten zogen ihre Begehren vor der Berufungsverhandlung wieder zurück. Die Anschlussberufung der Privatkläger, die höhere Genugtuungssummen wollen, richtet sich allerdings auch gegen sie. Die Befragten waren am Montag grund- sätzlich geständig, relativierten aber teilweise die Vorwürfe. Ein Befragter machte von seinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern.Für den Berufungsprozess hat das Kantonsgericht St. Gallen bis und mit Donnerstag reserviert. Heute Dienstag setzt es das Beweisverfahren fort. Darauf folgen die Plädoyers von Anklage und Verteidigung sowie von den Rechtsvertretern der Privatkläger. Die Urteilseröffnung findet zu einem noch nicht genannten Zeitpunkt statt.